Sonntag, 12. Mai 2013

... sehr zwiegespalten

Krank an der Seele suchte und fand ich vor zwei Jahren die Frau, die drei Jahre lang meine Mutter (Mutter II) gewesen ist. Saß in dem fremden Wohnzimmer, bekam die stinkige Vogelzucht überm Garagendach gezeigt und entzückte mich an alten Fotos, die mich als Baby inmitten größerer Geschwister zeigen. Dort bei diesen Leuten habe ich Laufen und Sprechen gelernt und - es kann nicht anders sein - wusste mich zuhause bei Mama und Papa.

Für meine andere Mutter (Mutter I), die mich geboren und weggegeben hat, war mein neuer Kontakt zur gesuchten und wiedergefundenen Mutter II ein Problem. Frustriert erlebte ich, wie Mutter I an Mutter II nach fünfzig Jahren einen Brief schrieb und sich als immerglückliche Frau (lachhaft!) und prima Mama beschrieb. Sie tat das, ohne mich, den Erkrankten, einzubeziehen. Der Gipfel war, dass Mutter I sogar eine Zeichnung von mir als Baby anfertigte und in den Brief an Mutter II legte. Gibt es mütterliches Gockelgehabe?

Es muss gesagt sein, dass meine Mutter I vollkommen auf sich allein gestellt war, als sie mich 19** zur Welt brachte. Denn mein "Erzeuger" (wie sie ihn schwer verletzt nennt), hatte die schwangere Zwanzigjährige in der Sekunde verlassen, in der sie ihm von mir erzählte. Ich war damals im Bauch dabei und habe die Katastrophe des Verlassenwerdens voll mit abgekriegt. Die Angst und die Wut meiner Mutter müssen entsetzlich gewesen sein!

Schon vor meiner Geburt hatte Mutter I arrangiert, dass ich bei einer anderen Familie sein würde. Mit diesem Vorbehalt schloss sie mich in meinen ersten Lebensminuten in ihre Arme. Ich möchte kotzen. (Apropos kotzen: Mein Erzeuger überquerte in den Tagen meiner Geburt den Ozean, er war auf dem Heimweg in die USA und es ist eine sehr raue Überfahrt gewesen, erzählte er mir viele Jahre später. Heute skypen wir alle sechs Wochen und scherzen, als wäre nichts passiert.)

Mutter I nahm mich nach drei Jahren wieder weg von Mutter II - die dann gleich ein neues Baby machte, um mich zu verschmerzen -, und ich kam unter die Fittiche meiner lieben Oma. Für sie allein fühle ich heute wie für eine Mutter. Ich muss sieben oder acht Jahre alt gewesen sein, als ich frühmorgens "heimlich" aus dem Bett krabbelte, klapperndes Frühstücksgeschirr und den Kuchen aufbaute, den die Oma am Vorabend eigens gebacken hatte, und ihr eine Muttertags-"Überraschung" bereitete.

Tja, heute ist Muttertag. Oma ist schon lange tot, der Kontakt zur Pflegemutter ist wieder eingeschlafen und für meine Mutter habe ich einen Fleuropstrauß in Auftrag gegeben. Ich bin soweit gesund.

3 Kommentare:

  1. wo steht geschrieben, dass eine Mutter ihr Kind lieben soll... ach ja in der Bibel glaube ich. Aber da steht genug andere Mist drin, den ein normal denkender Mensch nur in Zeiten größter Not glauben will aber letztendlich dann doch nicht tut.
    Also, meine Mutter hat sich von mir auch nicht gerade einen Orden verdient, deshalb habe ich schon vor langer Zeit den emotinalen Kontakt beendet. Aber nun ist sie 83 und Dement..und heute kann ich sogar über sie lachen, denn jetzt wo sie micht mehr kennt kommt eine Wärme und Herzlichkeit von ihr, dass es mir manchmal die Sprache verschlägt. Also wo steht geschrieben, dass eine Mutter ihr Kind liebt...

    Gruß von einer Gesunden an einen Gesunden :-)

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  2. Und wo steht geschrieben, dass ein Kind seine Mutter lieben muss? Genau.
    Catfish, bei dir war was verdammt schief gelaufen, war aber nicht deine Schuld. Wenn Oma für dich die Mutter war, ist das in Ordnung. Halte sie im Herzen. Der Fleuropstrauß ist auch ok, Hauptsache dir geht es gut.

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  3. ...irgendwie verständlich, dass du am Muttertag nicht doppelt so viel zu feiern hast wie andere Menschen... (Nebenbei: Ich bestehe darauf, dass die in meinen Augen völlig schwachsinnige Einrichtung, das Dienstleistungsunternehmen Mutter zu feiern und bei der Stange zu halten, in meinem Haus nicht stattfindet. Finde andere Formen des Feierns viel schöner, vor allem spontane, vor allem solche, die nicht vom Floristen verordnet sind...)
    Ich kenne zwei Menschen, denen von ihren Müttern regelmäßig, wenn die Dinge nicht so liefen, wie es angenehm war, um die Ohren gehauen wurde, dass sie skandalöserweise den Versuch, sie in die Kanalisation ablaufen zu lassen, überlebt hatten und ihre bloße Existenz somit eine grausige Zumutung für die Mütter sein... Ich weiß: schlimmer geht immer und ist nicht wirklich tröstlich.
    Liebe zwischen Müttern & Kindern? - klappt oft genug nicht...

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